In der langen Corona Zeit war deutlich zu verfolgen, wie die Streaming Plattform Twitch nochmals einen außerordentlichen Schub bekommen hat. Viele Streamer haben davon profitiert und deren durchschnittliche Zuschauerzahlen stiegen ordentlich, bei manchen explodierten sie förmlich. Das Haifischbecken der Werbeindustrie lauert genau auf solche Momente und schlägt dann im großen Schwarm zu. Die Folge hieraus ist die Twitch Dauerwerbesendung– rückt die einfache Unterhaltung der Zuschauer hiermit immer mehr in den Hintergrund?
Twitch Dauerwerbesendung- Die Psychologie dahinter
Schon seit langer Zeit kann man auf der Uni Werbepsychologie studieren. Werbung bestimmt immer mehr unser Leben und beeinflusst unser Kaufverhalten sehr, wirklich sehr intensiv. Menschen sind individuell und zum Großteil steuerbar. Wenn ein Influencer ein Produkt einigermaßen gut empfiehlt, obwohl dieser vielleicht gar nicht wirklich hinter diesem Produkt steht, so wird damit dennoch bei einigen oder sogar vielen Zuschauern der Gedanke “Das muss ich haben” ausgelöst.
Einige Zuschauer haben zum späteren Zeitpunkt auch noch das Bedürfniss im Livestream für einen kurzen Augenblick die Aufmerksamkeit vom Streamer zu bekommen, in dem er anspricht, dass er das geworbene Produkt gekauft hat und es super findet. In der Regel geht der Streamer immer darauf ein, da es erneut gute Werbung ist, wenn ein Zuschauer auch noch eine positive Meinung dazu äußert.
Der generelle Trend geht immer mehr in die Richtung, dass die Werbeindustrie stetig nach neuen Möglichkeiten sucht, Werbung zu platzieren. Bei Twitch sind es inzwischen zu Beginn oder während der Livestreams Werbeeinblendungen, bei Youtube genauso und auch Twitter will für Influencer Möglichkeiten entwickeln, Werbung einzublenden und daran mitzuverdienen.
Twitch Dauerwerbesendung vs Unterhaltung
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dieser These richtig liege, dennoch behaupte ich einmal, dass die reine Unterhaltung der Zuschauer durch die Twitch Dauerwerbesendung immer mehr in den Hintergrund rückt. Es ist klar, dass Werbung nur möglich ist, wenn Zuschauer unterhalten werden und Spaß daran haben. Dennoch werden gerade diese super treuen Anhänger mit wachsendem Erfolg und Reichweite eines Streamers immer mehr mit Werbung überhäuft. Natürlich stetig mit den Hinweisen, dass niemand was kaufen muss, man aber diese Produkte sehr empfehlen kann.
Schon vor der Zeit meines LikeGames Magazines habe ich einige Streamer verfolgen können, die rein durch ihre Art der Unterhaltung schnell größer wurden, sich über jeden einzelnen Sub noch ehrlich freuten und sich dann im Hintergrund ein “Management” in Form von Werbeagentur einschaltete. Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich der Kanal in der Form, dass plötzlich häufiger mit Streamern zusammen was gemacht wurde, die dem gleichen “Management” angehören. In den Panels steht kein Amazon Partnerlink mehr, sondern mindestens 2-3 Produktempfehlungen, an denen nicht nur die Streamer verdienen. Oftmals sind das Werbedeals des “Managements“, wofür es feste Zahlbeträge sowie Beteiligungen gibt.
Gefühlt rückt aus meiner Sichtweise bei einigen Streamern die Form der Unterhaltung immer mehr in den Hintergrund. Das Management gibt sicherlich tolle Tipps, wie Streamer ihre Einnahmen festigen und erweitern können. Dennoch folgen nun mehr gesteuerte Streams, in Form von neuen Bubbles, Streams mit Kollegen aus der eigenen Werbeagentur, gesponserte Games werden angespielt uvm. Plötzlich werden Streams angekündigt, dass Games wie Back4Blood und FarCry6 angespielt werden, die oftmals aber nur ein bis zwei Mal gestreamt werden. Innerhalb der Streams wird das Game gelobt und ein Produktlink empfohlen, an dem Streamer als vermutlich auch die Werbegentur mitverdient. Die freie Entscheidung des Streamers, einfach mal Minecraft, Rust oder GTA zu spielen, was seither die Community gefeiert hat, rückt mit gesponserten Games etwas mehr in den Hintergrund.
Das Jammern zum Twitchleak
Zum Thema Twitchleak hatte ich auch einen Artikel veröffentlicht. Im Nachgang habe ich auf Twitter einige interessante Reaktion von Streamern verfolgt, die darauf reagierten. Es kamen zum Teil Aussagen, die das Thema herunterspielen wollten. Argumente kamen hierbei, dass die Zahlen nicht die Endbeträge nach Abzug der Steuern darstellen.
Die Ansicht ist richtig, jedoch kann durchaus als Jammern auf hohen Niveau betrachtet werden. Ab einer gewissen Reichweite gehören Twitch Subs nicht mehr zur Haupteinnahmequelle eines Streamers. Feste Werbebeträge, Einnahmen von gesponserten Events sowie Produktbeteiligungen bestimmen einen nicht unerheblichen, weiteren Einnahmenbereich.
Die Sichtweise des Content Creators
Schlüpft man in die Rolle des Content Creators (Streamer), dann sind diese Entwicklungsschritte absolut nachvollziehbar und überhaupt nicht verwerflich. Die Zuschauer in den Streams sind nur Zahlenwerte und Kommentare in den Chats, man sitzt hierbei nicht auf einer Bühne und schaut den Leuten direkt ins Gesicht. Deren Kaufverhalten in Form von Subbomben und vorgestellten Produkten kann einem egal sein, da man die Personen dahinter und deren Lebensweise nicht kennt.
Sobald man eine gewisse Reichweite erreicht hat und absolute Freude an dem Beruf findet, kommt der Schritt in die Selbstständigkeit. Hier erreicht ein Streamer ein Level, an dem man an sich denken muss, damit das eigene Leben finanziert wird und auch die Altersvorsorge nicht untergeht. Die Großzügigkeit der Zuschauer löst bei den Streamern selbst eine Motivation aus, woraus sich schnell der Gedanke entwickelt: “Wenn ein Zuschauer bereit ist monatlich 10 oder mehr Subs zu kaufen, dann kauft er vielleicht zusätzlich auch Produkte, die ich empfehle?!“.
Entwickelt sich die Reichweite erneut, dann wird es irgendwann zwangsweise dazu kommen, dass sich die ersten Werbeagenturen bei den Streamern melden. Diese verfügen oftmals über sehr viel Erfahrung in der Branche, können tolle und wichtige Tipps den Content Creatoren geben und verkaufen ihre Dienste kostenlos. Die Agenturen verdienen nicht an den Content Creatoren direkt, sondern sind auf deren Reichweite und Werbemöglichkeiten aus, fädeln hierzu lukrative Werbedeals ein und verdienen daran ordentlich mit.
Die Entwicklung eines Streamers ist absolut nachvollziehbar. In deren Rolle würden sicherlich die meisten Zuschauer als auch ich absolut genauso handeln. Als selbstständiger Streamer ist man für seinen Lebensunterhalt selbst zuständig. Allerdings sehe ich so manche Streamer in eine Welt abdriften, in der sich das Streamen mehr um die möglichen Einnahmen dreht, als noch um den Spaß und Unterhaltungswert. Mir fehlt manchmal die Selbstreflektion, woher Streamer ursprünglich kommen, mit welchem Content sie früher ihre Reichweite bis zur Selbstständigkeit führten sowie die Vernunft, den eigenen Kanal nicht zu einem reinen Werbekanal verkommen zu lassen. Es gibt aber auch ein Großteil an Streamern, die diese Weitsicht besitzen.
Twitch Dauerwerbesendung- der Appell an die Zuschauer
Der Hypetrain ist die Werbepsychologie von Twitch. Abonnement heißt für mich im eigentlichen Sinne, dass ich bei einer Sache ein Abo abschließe, hierfür eine Gegenleistung erhalte und die Summe dann monatlich bezahle. Für einen Sub (Abonnement) auf Twitch erhält man als Zuschauer auch eine Gegenleistung in Form von Streamer Emotes, die man im Chat verwenden kann. Vom Grundsatz her würde jedem Zuschauer ein Abo pro Streamer reichen, die man gerne schaut.
Startet ein Hypetrain, gibt es in der Phase nochmals zusätzliche Emotes. Der Streamer freut sich natürlich über den eingehenden Umsatz. Oftmals werden die Namen der Zuschauer vorgelesen und sich ordentlich bedankt. Dies stellt auch oft für einzelne Zuschauer einen großen Reiz dar, mal von einem ihrer Lieblingsstreamer vorgelesen zu werden und im Mittelpunkt zu stehen.
Sämtliche psychologischen Reizpunkte, angefangen von Subbomben bis hin zu von den Streamern empfohlenen Produkten führen dazu, dass Zuschauer keine Grenzen mehr bei den Ausgaben kennen. Findet man im Zeitschriftladen eine Zeitschrift mit vielen Lesestunden für 3-4 Euro noch zu teuer, ballert man in gehypten Streams mal kurzfristig 20, 30 oder mehr Euro heraus.
Mein Appell an die Zuschauer ist genauso wie bei den Streamern, durchaus mal eine Selbstreflektion durchzuführen.
- Kann ich mir die Ausgaben überhaupt leisten?
- Mach ich das um Aufmerksamkeit zu bekommen oder weil ich die Person finanziell gerne unterstützen möchte?
- Reicht mir auch ein einzelner Sub bei einem Streamer um als Fan dennoch mit Emotes begeistert teilzunehmen?
Wer gerne viel in einen Lieblingsstreamer investiert, soll das gerne machen, denn diese finanzieren ihren Alltag damit und können sich durchaus zum Teil große Träume finanziell erfüllen. Springst du allerdings auf eine Hypewelle mit auf ohne Rücksicht auf deine eigenen, knapp bemessenen Lebensgrundlagen, dann hinterfrage dich. Ein Streamer wird sich immer bei dir bedanken, will dich aber nicht in seinem Privatleben wissen. Es ist ein Showgeschäft, mehr nicht.
Fazit zur Twitch Dauerwerbesendung
Sicherlich werde ich mit meiner Ansicht der Entwicklung von Twitch nicht auf eine einheitliche Meinung treffen. Vielleicht liege ich mit der einen oder anderen Sichtweise auch falsch. Dennoch ist ein gewisser Trend erkennbar, wenn man die Plattform Twitch schon mindestens 3-4 Jahre verfolgt.
Mit diesem Artikel erhoffe ich die Selbstreflektion einiger Streamer aber auch Zuschauer, dass man auf der Seite als Streamer seinen Content nicht vollkommen von der Werbeindustrie lenken lässt und auf der anderen Seite als Zuschauer man seine finanziellen Grenzen im Blick behält. Ab und an eine Selbstreflektion tut grundsätzlich gut.
- Was ist deine Meinung zu diesem Thema?
- Hast du schon mal als Zuschauer mehr Geld ausgegeben, weil du auf eine Hypewelle aufgesprungen bist?
- Ist dir als Streamer die Veränderung deines Kanals bewusst, blickst du auf deine Entwicklungszeit ab und an mal zurück?
Schreib deine Meinung und Gedanken gerne unten die Kommentare.
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